Markthochlauf der Wasserstoffwirtschaft

Herkulesaufgabe für Wirtschaft und Politik

Die chemische Industrie befasst sich schon seit Jahren mit der Entwicklung einer Wasserstoffwirtschaft. Auch INEOS leistet hierzu bereits einen enormen Beitrag und bringt Expertise beim Betrieb von Elektrolyseanlagen sowie bei der Speicherung von Wasserstoff ein. Heute produziert das Unternehmen rund 400.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr. Dieser entsteht als Nebenprodukt bei der Herstellung von Chlor und beim Kracken von Gas und Öl zur Produktion von Olefinen und Polymeren. Verwendet wird der Wasserstoff unter
anderem zur Entfernung von Schwefel aus Rohöl, als Rohstoff für andere chemische Prozesse oder als Brennstoff.

Wasserstoff ist aber mehr als „nur“ ein Energieträger. Er ist ein entscheidendes Schlüsselelement, um in einem überschaubaren Zeitraum in Industrie und Verkehr Klimaneutralität zu erreichen. Dazu braucht es vor allem Technologieoffenheit für den Ausbau von Kapazitäten und Brückentechnologien. Hier stehen wir in Deutschland noch am Anfang: CO2-armer oder grüner Wasserstoff ist knapp und begehrt. Zudem sind Wasserstofftechnologien gegenwärtig noch nicht wettbewerbsfähig genug, die Produktion von grünem Wasserstoff ist weiterhin zu teuer. Daher sollten auch blauer und türkiser Wasserstoff Berücksichtigung finden, auch sie können einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Hier ist die Politik gefordert.

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Ambitionierte Ziele für Wasserstoffe

Schon heute ist klar, dass die Nachfrage nach Wasserstoff mittel- bis langfristig signifikant steigen wird. Im Koalitionsvertrag von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP wird das ambitionierte Ziel formuliert, bis zum Jahr 2030 in Deutschland eine Elektrolysekapazität von zehn Gigawatt aufzubauen. Dies entspricht einer Verdopplung des bisher in der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) verankerten Ziels von fünf Gigawatt bis 2030. Die Bundesregierung plant, die Strategie noch in diesem Jahr entsprechend zu überarbeiten. Um also die Potenziale der Wasserstofftechnologien auszuschöpfen, gilt es jetzt, die nächsten Schritte zu gehen und gemeinsam einen echten Markthochlauf zu realisieren. Die Kosten dafür sind nur schwer zu beziffern: Die EU-Kommission erwartet, dass hierzu Investitionen von 488 Milliarden Euro bis 2050 notwendig sein werden.

Die geplante 100-Megawatt-Wasserelektrolyse am Standort Köln (siehe hier) ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Klar ist aber auch, dass es in den kommenden Jahren branchen- und sektorenübergreifend erheblicher Anstrengungen bedarf, um eine wettbewerbsfähige Wasserstoffwirtschaft in NRW und Deutschland auf die Beine zu stellen. Dazu gehört auch der zügige Ausbau einer leistungsfähigen Wasserstoffinfrastruktur – zum einen durch die Umwidmung bestehender, aber nicht mehr für den Transport von Erdgas benötigter Rohrfernleitungen, zum anderen durch den Neubau von Pipelines.

Wichtige Rahmenbedingungen

Der Weg in Richtung Treibhausgasneutralität muss so gestaltet werden, dass die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen chemischen Industrie jederzeit sichergestellt ist. Nur mit der Expertise der Chemieindustrie kann dieses ambitionierte Ziel im vorgesehenen Zeitraum erreicht werden. Dazu brauchen die Unternehmen verlässliche politische Rahmenbedingungen. Mit Blick auf die notwendigen Brückentechnologien spielen Gaskraftwerke eine entscheidende Rolle. Diese müssen bis 2035 vollständig auf klimaneutralen Wasserstoff umgestellt sein. Umso wichtiger ist es, dass Erdgas, Strom aus erneuerbaren Energiequellen und treibhausgasarmer Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen angeboten werden.

Weiterhin braucht die chemische Industrie wirkungsvolle Fördermaßnahmen und einen zukunftsfähigen Regulierungsrahmen, um ihren Beitrag zum Erreichen der Klimaziele leisten zu können. Wichtige Technologien zur Wasserstofferzeugung und -nutzung müssen anerkannt und gefördert werden. Dazu ist es notwendig, dass ausreichend Gelder von nationalen und europäischen Förderprogrammen und Wachstumsfonds bereitgestellt werden. Zudem sollte auch die Produktion von Wasserstoff mit Gas oder Atomstrom in die EU-Taxonomie aufgenommen werden, um sie auch für nachhaltig orientierte Investoren interessant zu machen.

Angesichts anstehender Investitionen in die Wasserstoffinfrastruktur und in den Bau neuer Anlagen ist es schließlich erforderlich, dass Genehmigungsverfahren hierzulande erheblich vereinfacht und verkürzt werden. Das Ziel sollte eine Halbierung der Genehmigungszeiten sein.

„Farbenlehre“ Wasserstoff

Obwohl Wasserstoff ein durchsichtiges Gas ist, haben sich für die Benennung seiner Herstellungsverfahren verschiedene Farbbezeichnungen durchgesetzt. Diese spielen in Debatten rund um das Thema CO2 -Ausstoß eine prominente Rolle, da sie in direkte Relation zum angenommenen Grad ihrer Klimafreundlichkeit gesetzt werden. Hier eine Auswahl:

Grauer Wasserstoff

wird aus fossilen Brennstoffen gewonnen. Bei der Herstellung wird in der Regel Erdgas unter Hitze in Wasserstoff und CO2 umgewandelt. Das CO2 wird in die Atmosphäre abgegeben – bis zu zehn Tonnen pro eine Tonne Wasserstoff.

Türkiser Wasserstoff

wird durch die Spaltung von Methan hergestellt. Dabei entsteht fester Kohlenstoff. CO2 -Neutralität kann durch den Einsatz erneuerbarer Energien sichergestellt werden. Zusätzlich muss eine Bindung des Kohlenstoffs vorgenommen werden.

Blauer Wasserstoff

wird wie grauer Wasserstoff hergestellt. Das entstehende CO2 wird jedoch abgeschieden und gespeichert. Die Wasserstoffproduktion gilt so bilanziell als CO2 -neutral.

Grüner Wasserstoff

wird durch Elektrolyse (Aufspaltung von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff) hergestellt. Erneuerbare Energiequellen wie Windkraft, Wasserkraft oder Sonnenenergie liefern den dafür benötigten Strom. Damit ist die Herstellung von grünem Wasserstoff CO2-neutral.

Wasserstoff ist mehr als „nur“ ein Energieträger. Er ist ein entscheidendes Schlüsselelement, um in einem überschaubaren Zeitraum in Industrie und Verkehr Klimaneutralität zu erreichen.